Familie ist was Wunderbares by Annemarie Schoenle

Familie ist was Wunderbares by Annemarie Schoenle

Autor:Annemarie Schoenle [Schoenle, Annemarie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955204518
Herausgeber: dotbooks GmbH
veröffentlicht: 2013-11-30T23:00:00+00:00


Als Anja am nächsten Morgen Leonie abholte, um sie in den Kindergarten zu bringen, fiel mir auf, wie mitgenommen sie aussah.

»Ist wohl spät geworden gestern.«

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich von mir ab. Das hatte sie schon als Kind getan, wenn sie nicht wollte, dass man ihren Kummer sah. Ich blickte auf Leonie, sie räumte ihre Bauklötzchen in die Spielzeugkiste und war so vertieft in ihre Tätigkeit, dass sie nicht auf uns achtete. Also bereitete ich schnell einen Espresso zu und drückte Anja auf einen Stuhl. »Was ist los?«

Sie stieß einen genervten Seufzer aus. »Als du dich früher öfter mit Papa gestritten hast, weil er so wenig im Haushalt half, oder darüber, dass du unbedingt berufstätig bleiben willst, da habe ich mir insgeheim oft gedacht, dass du übertreibst, so ein Emanzengeschwafel halt, das meine Freundinnen und ich ziemlich ätzend fanden.«

Ich lachte. »Das war mir schon klar.«

»Und jetzt bin ich in derselben Lage. Die gleichen Argumente, die ich Steffen an den Kopf werfe, und die gleichen Retourkutschen, die von Papa immer kamen.«

»Wenn du die Laborleitung übernimmst, wirst du sehr viel besser verdienen. Du beschäftigst eine Zugehfrau, und alles wird leichter.«

»Das ist es ja ... Darum scheint es Steffen gar nicht zu gehen. Er gönnt mir die Berufstätigkeit. Aber bitte als kleines Labormäuschen und nicht als Laborleiterin. Am besten ein Halbtagsmäuschen. Kannst du das verstehen?«

»Ich kann es erklären.«

»Dann erklär's mir!«

»Er fühlt sich besser, wenn du weniger arbeitest als er. In gewisser Weise kann er dann Verantwortung abschieben. Wenn ihr gleichberechtigt euerem jeweiligen Beruf nachgeht, müsst ihr auch gleichberechtigt die familiären Lasten tragen.«

»Und das will er nicht.«

»Sagen wir mal so: Er will frei sein in seinen Entscheidungen. Wann er verreist, wann er Überstunden macht ...«

»Und ich bin die Idiotin, die auf Verzicht getrimmt wird. Wenn ich halbtags arbeite, dann verzichte ich auf die Hälfte meiner Arbeitsstelle, auf die Hälfte meines Gehalts, auf die Hälfte meiner Rentenansprüche. Und auf die Aussicht, später wieder eine Ganztagsstelle zu kriegen. Und wovon lebe ich dann, wenn er sich wie Papa plötzlich eine Jüngere sucht?« Sie trank ihren Espresso aus und stand auf. »Wir hatten eine klare Absprache: beide voll berufstätig, daher nur ein Kind. Und damit hat sich's, basta.«

»Du bist dir aber schon im Klaren darüber, wie schwer es ist, alles unter einen Hut zu bringen.«

»Du hast es auch geschafft.«

»Ich hatte eine sehr verständnisvolle Tochter.«

»Die werde ich auch haben.«

Sie lächelte mich liebevoll an und rief nach Leonie. »Danke fürs Aufpassen, Mama!«

Dann ging sie. Schleppte sich wieder ab mit dem Babybett, der Matratze und Leonie, während Steffen sein Frühstück in einem Fünfsternehotel in Frankfurt genoss und an seiner Karriere bastelte.

Ich wusste, was auf mein Kind zukam. Das Ewigkeitsthema nämlich: Wer kümmert sich wann um was und wen?



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